Meine Geschichte
Noch im selben Jahr lernte ich meinen ersten Freund und späteren Ehemann kennen, der genauso verloren war wie ich und keine Familie hatte. Er war die Flucht aus meiner Kindheit – doch auch in dieser Phase meines Lebens musste ich Demütigungen ertragen. Obwohl ich all die Liebe in die Beziehung hineingegeben habe, die ich meinem Leben bisher vermisst hatte, bekam ich keine zurück und versank weiter in Trauer, bis wir uns wieder scheiden ließen.
Während vieler Jahre mit glücklosen Beziehungen und viel Einsamkeit habe ich parallel meine heutige berufliche Existenz aufgebaut und mich in einer großen Handelskette zur Filialleiterin und Ausbilderin hochgearbeitet.
In dieser Phase habe ich schließlich meinen zweiten Ehemann kennengelernt – mit der neuen Hoffnung auf das große Glück, aber auch hier sollte ich es nicht finden: Auf seiner ständigen Suche nach Erfolg in seiner Selbständigkeit war ich es letztlich, die uns beide, inklusive seiner Selbständigkeit, aus einem Pflichtgefühl heraus finanziert hat und er nutzte es aus. Ich dachte, durch meine Verhaltensmuster aus der Kindheit, dass ich das als Ehefrau tun müsste. Und wieder gab es keine Liebe. Eine Ehe, in der ich seelisch verhungert bin.
Der Entschluss der Scheidung stand fest und die Erkenntnis, endlich etwas für mich tun zu müssen. Mein Leben lang hatte ich nur versucht, andere glücklich zu machen – und mein eigenes Glück völlig vergessen.
Schließlich lernte ich in einer spirituellen Facebook-Gruppe Menschen kennen, die mich verstanden und mit denen ich mich gerne unterhalten habe – inklusive des Gruppenbetreibers, der in Hamburg lebte und sich als guter Zuhörer und Freund bewies. Auf der Suche nach einem Neuanfang entschied ich mich schließlich für Hamburg und der wahre Horror nahm seinen Lauf.
Wie sich allmählich herausstellen sollte, war es ein Fehler, ihm zu verraten, wo ich wohne – denn nun fing er an, mir nachzustellen. Er lauerte mir auf, rief mich ständig an, kontrollierte mich. Er betrachtete mich von jetzt an als seinen Besitz – und wenn ich nicht so funktionierte, wie es ihm passte, begann er, mich zu schlagen. Er beleidigte mich als Hure, ich musste seine Füße küssen, er drohte mir mit dem Tod. Der Stalker brachte alle Urängste aus meiner Kindheit wieder zum Vorschein: Das Eingesperrtsein im Keller, die Prügel, die Beleidigungen. Und ich habe nichts dagegen unternommen. Ich konnte mich nicht wehren.
Ich habe nicht realisiert, dass ich Opfer bin. Ich wusste nicht, was ich tun soll, an wen ich mich wenden kann, wie ich mich wehren kann. Er hat mich in der Öffentlichkeit verprügelt und später bis in die Bewusstlosigkeit, nach der ich im Krankenhaus aufwachte und nicht wusste, was die beiden vergangenen Tage passiert war. Mit einem doppelseitigen Schädel-Hirn-Traum und Hirnblutungen. Den Ärzten erzählte der Stalker, er sei mein Lebensgefährte und ich hätte mir die Verletzungen bei einem Sturz zugezogen und er hätte mich retten wollen.
Und als die Ärzte auf mich zukamen, weil sie realisiert hatten, dass das eine Lüge war, habe ich seiner Geschichte einfach zugestimmt. Viele Opfer wie ich trauen sich an dieser Stelle nicht die Wahrheit zu sagen. Dabei war sie meine große Chance. Nur war die Angst vor den Konsequenzen stärker – schließlich war ich ganz alleine in Hamburg.
Es folgte schließlich eine sechswöchige Reha, in der ich weiter terrorisiert wurde, kontrolliert, ob ich andere Männer angucke oder mich neben sie setze – und obwohl er weit weg war, habe ich mich trotzdem so verhalten, wie er es wollte.
Irgendwann ging es wieder nach Hause und der Horror ging weiter. Teilweise wurde ich bis 4 Uhr nachts verprügelt und musste um 6 Uhr wieder auf der Arbeit sein. Wie mein Ex-Mann fing auch mein Stalker irgendwann an, Geld von mir haben zu wollen und ich habe es zugelassen in der Hoffnung, dafür weniger verprügelt zu werden. Obwohl meine Mitarbeiter etwas merkten, habe ich weiter abgestritten, dass etwas los war.
Aber mein Tag der Rettung rückte allmählich näher, denn ich lernte ich eine Frau kennen, die sich gerade in ihrer Scheidung befand. Ich besorgte ihr einen Job in meiner Filiale und sie zog zufällig in dasselbe Gebäude, in dem ich wohnte – und so bekam sie es häufig mit, wenn ich in meiner Wohnung wieder den Schlägen meines Stalkers ausgesetzt war und irgendwann vertraute ich mich ihr an.
Als ich mich schließlich in meiner Filiale meinem Vorgesetzten und meinen Mitarbeitern anvertraute und dabei auf wenig Verständnis stieß, entschied ich, die Filialleitung abzugeben und als stellvertretende Leitung in eine andere Filiale zu wechseln – mit weniger Verantwortung und dafür mehr Freiheit mich für das einzusetzen, was mir wichtig ist: die Aufklärung von Frauen.
Die Aufklärung von Frauen über meine Geschichte und wie sie es schaffen, sich aus Situationen wie meiner zu befreien und ein glückliches, selbstbestimmtes Leben ohne Gewalt und Demütigungen zu führen.
Noch heute schlafe ich oft weinend ein und wache schweißgebadet wieder auf. Noch heute verfalle ich manchmal in Angst. Aber ich weiß heute auch, dass ich stark bin und mich wehren kann gegen meine Ängste. Die Kämpferin in mir ist erwacht. Und als diese Kämpferin möchte ich nun anderen Frauen, möchte ich nun dir helfen, deinen Schritt in Richtung Freiheit zu gehen. So, wie meine Freundin mir half.